Nesselsucht

Definition

Der medizinische Begriff für die Nesselsucht lautet Urtikaria. Sie zeichnet sich aus durch die Bildung von juckenden Quaddeln und/ oder Angioödemen. Dadurch, dass sie durch viele verschiedene Ursachen ausgelöst werden kann, lässt sich das Krankheitsbild in folgende Formen unterteilen.

UrtikariaformUnterform
Spontane UrtikariaAkut-spontane Urtikaria
Chronisch-spontane Urtikaria
Induzierbare UrtikariaKälteurtikaria
Verzögerte Druckurtikaria
Wärmeurtikaria
Lichturtikaria
Symptomatischer Dermographismus
Weitere UrtikariatypenVibratorisches Angioödem
Aquagene Urtikaria
Cholinergische Urtikaria
Kontakt-Urtikaria

Bei der spontanen Urtikaria können keine speziellen Auslöser definiert werden. Die induzierbaren Urtikarien werden durch physikalische Reize wie Kälte ausgelöst. Die weiteren Urtikariatypen werden durch andere Mechanismen ausgelöst und werden daher in einer eigenen Kategorie dargestellt.

Am relevantesten sind die akut-spontane Urtikaria und die chronisch spontane Urtikaria. Diese lassen sich anhand ihrer Krankheitsdauer definieren. Die akut-spontane Urtikaria weist eine Krankheitsdauer von unter 6 Wochen auf, die chronische über 6 Wochen.

Pathomechanismus

Im Fokus der Reaktion liegen die subepidermal gelegenen Mastzellen. Diese können durch verschiedene Ursachen aktiviert werden. Der am besten untersuchte Mechanismus bei der Aktivierung der Mastzellen ist die IgE-vermittelte Mastzelldegranulation. Diese beschreibt den Verlauf von IgE-vermittelten Soforttypreaktionen bei allergischen Reaktionen. Der Organismus kommt mit einem Allergen in Kontakt. Dadurch wird die Sensibilisierungsphase eingeleitet. Es kommt zur Bildung von IgE-Antikörpern, welche an Rezeptoren auf Mastzellen binden. Bei erneutem Kontakt mit dem Allergen, können die IgE-Antikörper diese erkennen und dadurch wird die Mastzelle aktiviert, was zur Ausschüttung von proinflammatorischen Mediatoren führt.

Es sind viele weitere Aktivierungsmechanismen von Mastzellen bekannt, welche allerdings noch nicht so gut beschrieben werden konnten. Am Ende steht allerdings immer die Aktivierung der Mastzellen mit anschließender Ausschüttung von Mediatoren wie Histamin, Leukotrienen, Postaglandinen und vielen weiteren. Diese bewirken eine Erweiterung der Blutgefäße sowie eine Erhöhung der Gefäßpermeabilität. Dadurch entsteht ein intrakutanes Ekzem. Der Juckreiz kann erklärt werden durch die Aktivierung sensorischer Nervenzellen.

Symptome

Zumeist treten bei Urtikaria juckende Quaddeln auf, die sich am gesamten Körper befinden können. Das sind zentrale Schwellungen verschiedener Größe, welche einen roten Randsaum mit einem weißen Hof aufweisen. Die Quaddeln klingen meist nach weniger als 24h wieder ab. Dabei können täglich neue Quaddeln auftreten (kontinuierliche Urtikaria). Es kann aber auch zu Krankheitsverläufen kommen, bei denen Quaddeln nicht täglich auftreten (intermittierende Urtikaria).

Zudem kommt es in 50% der Fälle zu Angioödemen. Diese treten vor allem im Gesicht oder im Genitalbereich auf. Angioödeme sind plötzliche, teils schmerzhafte Schwellungen, welche bis zu 72h benötigen, um vollkommen zurückgebildet zu sein.

Diagnostik

Bei der Diagnose der Urtikaria ist die Anamnese als erster Schritt von großer Bedeutung. Dazu können auch Fragebögen herangezogen werden. Danach folgt die körperliche Untersuchung des Patienten. Da Quaddeln und Angioödeme aber nur vorrübergehend sind, kann es passieren, dass diese bei der Untersuchung nicht in Erscheinung treten. Aus diesem Grund soll die Dokumentation des Patienten zum Beispiel in Form von Fotos mit in die Untersuchung einbezogen werden. Danach folgt die Basisdiagnostik mit verschiedenen Tests wie Blutuntersuchungen. Je nach Ergebnis können weitere Tests durchgeführt werden, um eine gesicherte Diagnose einer bestimmten Urtikariaform stellen zu können. Für die genaue Diagnose der einzelnen Urtikariaformen stehen S3-Leitlinien zur Klassifikation, Diagnostik und Therapie der Urtikaria zur Verfügung.

Zur Beurteilung der Krankeitsaktivität können verschiedene Scores zur Bewertung herangezogen werden. Ein Beispiel dafür ist der Urtikaria-Aktivitäts-Score. Diese Scores geben Aufschluss über die Einschränkung der Lebensqualität des Patienten.

Ursachen

Die Ursachen einer Urtikaria sind vielfältig und lassen sich folgendermaßen einteilen:

UrtikariaformUnterformUrsache/Auslöser
Spontane UrtikariaAkut-spontane UrtikariaUnbekannt
Chronisch-spontane UrtikariaUnbekannt
Induzierbare UrtikariaKälteurtikariaKälte (Kaltes Wasser, Wind, etc.)
Verzögerte DruckurtikariaVertikaler Druck (Schwere Tasche tragen; nach 6-8 Stunden)
WärmeurtikariaLokale Wärme
LichturtikariaUV-Strahlen oder anderes sichtbares Licht
Symptomatischer DermographismusMechanische Scherkräfte (Reiben, Kratzen, etc.)
Weitere UrtikariatypenVibratorisches AngioödemVibration (Presslufthammer, etc.)
Aquagene UrtikariaWasser
Cholinergische UrtikariaErhöhung der Körperkerntemperatur
Kontakt-UrtikariaKontakt mit Urtikaria-auslösenden Substanzen

Behandlung   – Lebensstil

Die Auslöser einer Urtikaria sind hochindividuell. Aus diesem Grund sollte zunächst die Ursache abgeklärt werden, um Lebensstilmodifikationen anzuordnen. Eine Urtikaria kann beispielsweise auch durch Nahrungsmittelallergien ausgelöst werden. In diesem Fall müsste der Patient beispielsweise auf das Nahrungsmittelallergen verzichten in seiner Ernährung. Es kann also keine allgemeine Empfehlung für die Umstellung des Lebensstils gegeben werden. Es kommt darauf an, welcher Auslöser der Urtikaria zu Grunde liegt.

Schulmedizin

Ziel der Therapie ist es, die Krankheit so lange zu behandeln, bis sie komplett abgeklungen ist. Zudem soll die Krankheit vollständig kontrolliert sein und eine Normalisierung der Lebensqualität angestrebt werden. Bei der chronischen Urtikaria sollen die Ursachen der Erkrankung gesucht und, wenn möglich, behandelt werden. Zudem sollen auslösende Faktoren vermieden werden. Außerdem kann eine Toleranz induziert werden. Beispielweise kann bei der Kälte-Urtikaria eine tägliche kalte Dusche helfen, eine gewisse Toleranz zu entwickeln. Der letzte therapeutische Ansatz bei einer chronischen Urtikaria ist die Anwendung einer pharmakologischen Behandlung um die Freisetzung von Mastzellmediatoren und/oder die Auswirkung dieser zu verhindern.

Die erste Wahl bei der medikamentösen Behandlung bei Urtikaria ist die Verabreichung von H1-Antihistaminika der 2. Generation. Diese können kontinuierlich gegeben werden, um die Bildung von Quaddeln und Angioödemen zu verhindern.

Ein weiteres Medikament, was als wirksam bei der Behandlung von Urtikaria beschrieben wird ist Omalizumab. Es wird dann benutzt, wenn ein Patient selbst auf hochdosierte H1-Antihistaminika nicht anspricht. Es wird nicht kontinuierlich verabreicht, sondern alle 4 Wochen eine Dosis von 300mg. Die Dosis kann erhöht bzw. die Intervalle verkürzt werden, wenn der Patient auf die normale Dosis nicht anspricht.

Wenn auch Omalizumab nicht die erwünschte Wirkung erzielt, kann eine Behandlung mit Ciclosporin A induziert werden. Es wirkt immunsupressiv und kann einige unerwünschte Wirkungen aufweisen. Daher sollte es nicht zur Standardbehandlung empfohlen werden, nur wenn sowohl Antihistaminika als auch Omalizumab nicht die gewünschte Wirkung aufweisen.

Prognose

Die akute Urtikaria tritt meist nur als einmalige Episode auf. Da sie nach spätestens 6 Wochen wieder abklingt ist die Prognose sehr gut, die Krankheit ohne Komplikationen zu überstehen. Die Prognose der chronischen Urtikaria ist nicht so einfach zu stellen. Je nach Krankheitsbild und Urtikariaform können die Symptome mehrere Jahre teilweise auch Jahrzehnte persistieren. Zudem fällt die Prognose besser aus, wenn die Krankheit früh diagnostiziert wird und einen milderen Verlauf aufweist.

Literatur

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Ring, Johannes; Plötz, Sabine G. (2011): Virusinfekt, (Pseudo-)Allergie oder Autoimmunerkrankung? – Nesselsucht: Gehen Sie der Ursache auf den Grund. In: Hautnah Dermatologie 1, S. 8-14. München. Technische Universität München. Online verfügbar unter https://link-springer-com.ezproxy.fh-muenster.de/content/pdf/10.1007/BF03358265.pdf, zuletzt geprüft am 23.05.2022

Ballmer-Weber, Barbara K.; Kündig, Thomas M. (2010): Urtikaria – die häufigste dermatologische Erkrankung. In: Therapeutische Umschau 67 (4), S. 167-173. Bern. Verlag Hans Huber. Online verfügbar unter https://content.ebscohost.com/cds/retrieve?content=AQICAHioQh6vaQ1f_660avHqehX5LEStxh3GpqBCg7yJ_AGctQF6LOEbQKIA62SLD6mzyVI1AAAA4jCB3wYJKoZIhvcNAQcGoIHRMIHOAgEAMIHIBgkqhkiG9w0BBwEwHgYJYIZIAWUDBAEuMBEEDDhC6ofimRfY5GV0agIBEICBmk1RpAanJv2FHUVUy6TyzjVTriLu7vlDGf2OFhDC0aaPlWq9flRBOKyTCDJZIqWlpPCDINJTXBfTAPLRMLtkzawLvGDgwEt2Dz9gweTMLcHRd9NHpAylt2uaTvvAZ4W84KNkHjIK3JBYBDWfKfHHvWc5BfXIvQJOfiO9Q4ByeeKEglkJEb0sdpqIYsOOg1y_s7c-uUS21nl-3Rk=, zuletzt geprüft am 23.05.2022

Rotzetter, Jeannine Ursula; Hoetzenecker, Wolfram; Vallelian, Florence; Stöwhas, Anne-Christin (2015): CME – Urtikaria. In: Continuing Medical Education Praxis 104 (6), S. 269-279. Bern. Verlag Hans Huber. Online verfügbar unter https://content.ebscohost.com/cds/retrieve?content=AQICAHioQh6vaQ1f_660avHqehX5LEStxh3GpqBCg7yJ_AGctQGPWwrSOop4BbaXC3SioMtwAAAA4zCB4AYJKoZIhvcNAQcGoIHSMIHPAgEAMIHJBgkqhkiG9w0BBwEwHgYJYIZIAWUDBAEuMBEEDCi-E3LE6vbYb7oArwIBEICBmxj4-7-taSSv6DXumnpejR7H9q1urYuXCOG0n5fuPT0m9gaHHPJAr-yMjTq6qLwOTND991Asjazy_b10_DNwNadhRBughESPO8SKZ9Y5pZPht2kOcORQqV2fKq5HvXLrC3f2Df–LuUgXc2_59yDxHHm87SoDN_3eV2kKVocclfhEgxpUDHLPg8pg4vcXvdxN1OnRsxdIThl6baW, zuletzt geprüft am 23.05.2022

Zuberbier et al. (2022): Deutsche S3-Leitlinie zur Klassifikation, Diagnostik und Therapie der Urtikaria, adaptiert von der internationalen S3-Leitlinie. In: AWMF-Leitlinienregister (013-028). Online verfügbar unter https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/013-028l_S3_Klassifikation-Diagnostik-Therapie-Urtikaria_2022-04.pdf, zuletzt geprüft am 23.05.2022

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